Du willst deinen Hund in den Arm nehmen, aber er dreht sich ständig nur weg?
Du tätschelst ihm den Kopf, aber er würdigt dich keines Blickes und auch wenn du kräftig mit beiden Händen seine Seiten schubberst, ist er wenig begeistert?
Dann bist du hier genau richtig!
…und herzlichen Glückwunsch, du hast einen ganz normalen Hund, der ganz normales Hundeverhalten zeigt!
Wir Menschen sind, ebenso wie unsere Verwandten die Affen, Primaten. Unsere Hunde hingegen sind Kaniden. Das sind zwei völlig unterschiedliche Spezies mit völlig unterschiedlichen Bedürfnissen, die dennoch super zusammen passen. Wie kann das sein? Was braucht es dafür?
Gegenseitiges Einfühlungsvermögen, Anpassungsfähigkeit und ein grundsätzliches Verständnis für die Sprache des anderen. Das alles bringen unsere Hunde nicht nur mit, sie sind sogar wahre Experten darin. Aber wir Menschen? ….eher weniger. Aber auch wir sind lernfähig.
Ich möchte an dieser Stelle meine beiden Lieblingsautoren zum Thema Hund zitieren. Elli H. Radinger und Günther Bloch schreiben in der Einführung ihres Buches „Wölfisch für Hundehalter“ zu diesem Thema folgendes (die zwei sind übrigens höflicher als ich, sie siezen ihre Leser - denkt gar nicht erst dran, könnt ihr vergessen! ;-) )
- „Sie fragen sich vielleicht zu Recht, warum Sie sich an den Regeln Ihres Hundes orientieren sollen, statt er sich den Ihren. Fakt ist, Sie leben mit einer anderen Spezies in einem Haushalt. Natürlich brauchen Sie überhaupt keine Rücksicht auf das kanidentypische Verhalten Ihres Tieres zu nehmen und können Ihr Leben ausschließlich nach Primatenregeln führen. Die Ihnen anvertraute Hundeseele würde sich nicht wehren können und die Welt nicht mehr verstehen.“
Spätestens wenn man sich das einmal bewusst macht, hat man richtig Lust darauf ein bisschen was über Hundeverhalten zu lernen, nicht wahr? Wenn nicht, wärst du nicht hier (oder hörst an diesem Punkt auf zu lesen – ich hoffe aber doch du schenkst mir noch ein wenig deiner Zeit).
Schmusen ist wichtig – gar keine Frage, sowohl für den Menschen als auch für den Hund. Warum das so ist?
Hast du schon mal von Oxytocin gehört? Es ist auch als Kuschelhormon oder Bindungshormon bekannt und wird vom Körper vermehrt ausgeschüttet bei Körperkontakt mit jemandem, den man mag und dem man vertraut. Oxytocin reguliert unter anderem den Cortisolspiegel (landläufig auch als Stresshormon bekannt) und sorgt so dafür, dass Stresssymptome gemindert werden. Es hilft also dabei, sich zu entspannen. Oxytocin ist aber nicht nur ein Hormon, es ist auch ein Neurotransmitter. Das heißt, es wirkt nicht nur über das Blut, sondern auch im Gehirn (es aktiviert bestimmte Nervenzellen). Es macht empfänglicher für zwischenmenschliche – oder zwischen-hund-menschliche- Signale und sorgt so für mehr Vertrauen und Verständnis.
Ein anderes Glückshormon ist das Dopamin. Es wird ausgeschüttet bei Spaß und Spiel. Es fördert die Motivation und allgemeine Zufriedenheit. Man ist einfach gut drauf.
Du kannst dir merken:
Dopamin = Action!
Oxytocin = Geborgenheit, Ruhe, Entspannung!
Du solltest also nur dann mit deinem Hund kuscheln, wenn er dafür auch empfänglich ist. Also zum Beispiel nicht beim Sport oder während des Hundetrainigs. Den meisten Hunden ist es ein Gräuel, wenn sie zur Belohnung getätschelt werden – sie sind auf Dopamin, nicht auf Oxytocin.
Weiterhin eher unpassende Kuschelmomente sind alle Stressmomente, so auch wenn der Hund in einer für ihn noch fremden Umgebung ist. Auch in solchen Situationen kann Körperkontakt zwar ungemein helfen – aber das ist erstens nicht das gleiche wie schmusen und zweitens heute nicht unser Thema.
Wenn du möchtest, dass dein Hund in Kuschelstimmung kommt, sollte er ausgelastet sein, in einer vertrauten Umgebung, nicht hungrig oder durstig, sondern glücklich und entspannt.
Das heißt aber nicht, dass du ihm in seinem Körbchen jetzt auf die Pelle rücken und ihn in den Arm nehmen solltet. Biete dich stattdessen an. Setz dich in seine Nähe, ohne konkret etwas einzufordern. Neben ihn, nicht vor ihn. Wenn er das duldet und entspannt bleibt, streichel ihn vielleicht ein bisschen, mit langen sanften Bewegungen oder kraul ihm das Ohr. Bitte nicht von oben, sondern seitlich und geh nicht zu nah ran mit dem Gesicht. Lass deinem Hund Raum. Du wirst merken, was ihm gefällt. Wenn er abrückt, oder gar aufsteht, sich schüttelt und weg geht, ist das ein klares Zeichen, dass es ihm zu viel ist. Dann ist Rückzug die Devise - und zwar deiner, nicht seiner!
Je weniger du deinen Hund bedrängst, ihn mit in Hundesprache bedrohlichen Gesten überforderst (sich über ihn beugen, ihn in den Arm nehmen, seine Pfoten festhalten), desto eher ist er bereit sich auf dich einzulassen.
Hast du, wenn du ans Schmusen mit deinem Hund denkst, dieses Bild vor Augen von dem glücklich grinsenden Labrador, dem ein Kind um den Hals hängt? Schlag dir das bitte aus dem Kopf. Der Hund grinst nicht, er ist gestresst! Und er wendet den Blick ab, um den Umarmer zu beschwichtigen.
Schmusen mit einer anderen Spezies erfordert einen Perspektivwechsel. Hunde haben keine Arme. Für sie ist es vollkommen unnatürlich umarmt zu werden! Dennoch haben Hunde als soziale Tiere (in puncto Sozialkompetenz können die meisten Menschen sich von ihnen eine Scheibe abschneiden) das Bedürfnis nach Nähe.
Stell dir bitt einmal folgende Situation vor: Du setzt dich aufs Sofa. Neben dir sitzt dein Hund. Er dreht sich mit dem Rücken zu dir, lehnt sich leicht an und guckt dabei von dir weg. Statt jetzt zu denken, na super – der guckt mich ja mal wieder mit dem Arsch nicht an (oder vielmehr nur mit eben jenem), mach dir einmal bewusst, was er dir in Hundesprache gerade mitteilt. Er sucht deine Nähe und baut Körperkontakt auf. Kontaktliegen ist ein Zeichen von Zuneigung und Liebe. Dabei will dein Hund dich aber nicht einengen, er gibt dir vielmehr Raum. Angucken ist unhöflich. Ist dein Hund im Allgemeinen kein großer Schmuser, dann streichel ihn jetzt bitte nicht. Genieß seine Nähe und Sympathiebekundung einfach nur.
Und überleg mal, ob er in hündischer Kommunikation nicht vielleicht sogar viel öfter seine Liebe zu dir bekundet als es dir bisher bewusst war?
Schleckt er dir regelmäßig die Hände oder das Gesicht?
Bereits kurz nach der Geburt leckt die Mutterhündin ihre Welpen trocknen. In den ersten Tagen und Wochen funktioniert die Verdauung eines Welpen noch nicht von alleine. Mama leckt ihm den Bauch um die Verdauungstätigkeit und den Kotabsatz anzuregen. Wenn der Bauch voll ist, tut es so gut, wieder Platz zu schaffen. Lange bevor die Augen und Ohren auf sind und die Kleinen bewusst ihre Umwelt wahrnehmen, haben sie also schon gelernt, wie sich Liebe und Geborgenheit anfühlen. Wie Mamas warme, streichelnde Zunge…
Siehst du die feuchten Küsse deines Hundes jetzt mit anderen Augen? Gut so!
Und, by the way, es muss ja nicht das Gesicht sein. Aber lass deinen Hund ruhig mal deine Hände ablecken und gib ihm die Gelegenheit „Ich hab dich lieb“ zu sagen.
Nimmt dein Hund manchmal freiwillig und ganz bewusst Blickkontakt mit dir auf? Schaut er dich an, wenn er nicht weiter weiß oder wirft er dir einen rückversichernden Blick zu, wenn er unsicher ist, ob er sich gerade richtig verhält?
Auch das ist eine eindeutige Zuneigungsbekundung! Und bei dieser Art von Augenkontakt wird übrigens auch Oxytocin ausgeschüttet.
Ist dein Hund kein Kuschler, achte mal bewusst auf diese Kleinigkeiten. Das tut dem Ego gut und zeigt dir, dass er ganz oft „Hab dich lieb sagt“, du es aber bisher vielleicht nicht so deutlich hören konntest.
Fördere Kontaktliegen, überschütte deinen Hund nicht mit allzu menschlicher Liebe, hör auf, wenn er nicht mehr mag. Und denk dran, streicheln ist sanft! Es ist kein Klopfen oder kräftiges Durchwalken oder Kopf tätscheln.
Bei sehr gestressten Hunden, die sich auf Berührungen so gar nicht einlassen mögen, Hunde, die bisher eher schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht haben oder die schlicht wenig menschlichen Kontakt gewohnt sind, kann man bei der Entspannung durchaus unterstützen. Sanfte Aromatherapie und / oder eine genau auf ihn zugeschnittene Bachblütenbehandlung können hier bei manchen Hunden wahre Wunder wirken und ihnen das Leben sehr erleichtern. Es ist auch eine gute Idee, mal einen Workshop für Entspannungsmassagen oder TellingtonTouch zu besuchen. Hier lernst du, wie du deinen Hund nicht nur an Berührungen gewöhnst, sondern auch wie du ihm mit deinen Berührungen aktiv helfen kannst zu entspannen.
Es gibt aber eben auch einfach Hunde, die nicht gerne kuscheln. Und es gibt, die gar nicht genug davon kriegen können. Letzten Endes sind sie alle kleine Persönlichkeiten, die auch in ihrer Individualität gehört und gesehen werden wollen.
Wir Menschen sollten unsere Bedürfnisse nicht über die unseres Hundes stellen, er richtet ohnehin schon sein ganzes Leben nach uns aus. Wir haben ihn ausgesucht – er uns in den meisten Fällen nicht. Dennoch liebt er uns und passt sein Verhalten dem unseren an. Das sollten wir honorieren und ihn nicht zu ändern versuchen.